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Under (Financial) Pressure – Was die NFL über Finanzmärkte lehrt

Manchmal findet man spannende ökonomische Einsichten an Orten, wo man sie nicht erwartet. Das neue Paper “Under (Financial) Pressure” von Spencer Barnes, Ted Dischman und Brandon Mendez untersucht, wie finanzielle Anreize Regeln verzerren können und zwar am Beispiel der NFL-Schiedsrichter. Die Idee Die NFL ist ein Milliardenbusiness: 2024 setzte die Liga ca. 23 Mrd. US-Dollar um. Es ist vergleichbar mit Konzernen wie Bayer und SAP. Die Forscher fragen: Beeinflusst dieser finanzielle Druck, wie Schiedsrichter Entscheidungen treffen? Das ist im Kern die gleiche Frage, die wir uns in der Finanzökonomie stellen: Begünstigen Regulatoren große, systemrelevante Player, weil zu viel Geld und Aufmerksamkeit auf dem Spiel stehen? Die Methodik: Ökonometrie im Sport Die Autoren analysieren über 13.000 Defensivstrafen aus NFL-Spielen zwischen 2015 und 2023. Besonderes Augenmerk liegt auf den Kansas City Chiefs in der Ära von Quarterback Patrick Mahomes. Warum? Weil die Chiefs ...

Under (Financial) Pressure – Was die NFL über Finanzmärkte lehrt

Manchmal findet man spannende ökonomische Einsichten an Orten, wo man sie nicht erwartet. Das neue Paper “Under (Financial) Pressure” von Spencer Barnes, Ted Dischman und Brandon Mendez untersucht, wie finanzielle Anreize Regeln verzerren können und zwar am Beispiel der NFL-Schiedsrichter.

Die Idee

Die NFL ist ein Milliardenbusiness: 2024 setzte die Liga ca. 23 Mrd. US-Dollar um. Es ist vergleichbar mit Konzernen wie Bayer und SAP. Die Forscher fragen: Beeinflusst dieser finanzielle Druck, wie Schiedsrichter Entscheidungen treffen? Das ist im Kern die gleiche Frage, die wir uns in der Finanzökonomie stellen: Begünstigen Regulatoren große, systemrelevante Player, weil zu viel Geld und Aufmerksamkeit auf dem Spiel stehen?

Die Methodik: Ökonometrie im Sport

Die Autoren analysieren über 13.000 Defensivstrafen aus NFL-Spielen zwischen 2015 und 2023. Besonderes Augenmerk liegt auf den Kansas City Chiefs in der Ära von Quarterback Patrick Mahomes. Warum? Weil die Chiefs zu einem massiven Treiber der TV-Quoten wurden und damit für die NFL bares Geld bedeuten.

Das ökonometrische Herzstück ist ein Fixed-Effects Panelmodell, das kontextabhängige Faktoren (Spielwoche, Spielsituation, Verteidigungsteam etc.) herausrechnet. So lässt sich prüfen, ob Schiedsrichter bei bestimmten Teams systematisch anders pfeifen; nicht zufällig, sondern systematisch.

Die Ergebnisse: Vorteil Chiefs

  • Reguläre Saison: keine Vorteile für Kansas City. Eher sogar leichte Nachteile bei Strafen.
  • Playoffs: ein anderes Bild. Strafen gegen Chiefs-Gegner führten zu mehr Yards (+2,4), öfter zu First Downs (+23 Prozentpunkte) und waren häufiger „subjektiv“ (z.B. Pass Interference, Roughing the Passer) und somit auslegungsabhängig.
  • Ökonomische Relevanz: diese Effekte summieren sich in Playoff-Spielen zu Extrapunkten und First Downs, die den Spielausgang beeinflussen können. Und das in Spielen, wo Milliarden an TV-Einnahmen hängen.
  • Keine ähnlichen Effekte: für andere Dynastien wie die Patriots oder die 49ers. Das Muster ist spezifisch für Mahomes und die Chiefs.

Grafik aus dem Paper

Die Abbildung zeigt klar: Seit Mahomes’ Einstieg ziehen die Chiefs konstant mehr Strafen ihrer Gegner als der Rest der Liga. In den Playoffs verstärkt sich dieser Trend deutlich.

Der Mechanismus: TV-Ratings sind King

Die Studie zeigt, dass Chiefs-Spiele seit Mahomes’ Einstieg signifikant höhere TV-Quoten haben (+3,9 Mio. Zuschauer im Schnitt!). Genau hier liegt die ökonomische Verbindung: Wenn ein Team die Einschaltquoten rettet, scheinen auch die Schiedsrichterentscheidungen, bewusst oder unbewusst, diesem finanziellen Anreiz zu folgen. Das ist fast ein Lehrbuchbeispiel für regulatory capture: Entscheider passen ihre Regeln an die Interessen der „systemrelevanten“ Player an.

Was heißt das für die Finanzwelt?

Für uns Finanzökonomen ist das mehr als Sportanekdote. Es illustriert, wie finanzielle Abhängigkeit Institutionen verzerren kann. So wie die NFL Schiedsrichter in kritischen Momenten nicht völlig neutral bleiben, so sind auch Finanzaufsichten versucht, systemrelevante Banken oder Konzerne mit Samthandschuhen anzufassen. Nicht aus offener Korruption, sondern aus einem Mix aus Selbsterhalt, Anreizstrukturen und implizitem Druck.


Quelle: Barnes, S., Dischman, T., & Mendez, B. (2025). "Under (Financial) Pressure." Financial Review. DOI: 10.1111/fire.70020

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