Warum Märkte Wartung brauchen
Wir Ökonom:innen lieben Effizienz. Doch Systeme, die lange effizient bleiben sollen, brauchen Pflege. Das gilt für Maschinen – und für Märkte. In den letzten Jahrzehnten haben Unternehmer:innen, Innovator:innen und viele von uns aus der Wissenschaft den Motor des Fortschritts am Laufen gehalten, aber das Fundament, auf dem dieser Motor steht, vernachlässigt.
Das unsichtbare Gerüst des Wohlstands
Ein freiheitliches Gemeinwesen ruht auf einer unsichtbaren Infrastruktur: Eigentumsrechte, Vertragssicherheit, Wettbewerb, offene Kommunikation. Diese Strukturen sind kein Naturzustand – sie sind gebaut, gepflegt und gelegentlich erneuert worden.
In der Nachkriegszeit erinnerten akademische Vordenker wie Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Friedrich Hayek: Märkte sind empfindliche soziale Gebilde. Die Freiburger Schule entwickelte die Ordnungspolitik – ein Rahmen, der Wettbewerb schützt, ohne ihn zu dirigieren. Die Österreichische Schule (u. a. Hayek, Mises) betonte die dezentrale Wissensverarbeitung durch Märkte. Beiden Schulen gemeinsam: Freiheit braucht Ordnung, und Ordnung braucht Pflege.
Wie die Idee verschwand
In den USA trugen Stiftungen und Unternehmer nach 1945 Lehrstühle, Zeitschriften und Thinktanks. Es ist ein intellektuelles Scaffolding für die Marktwirtschaft. In Deutschland wurde Ordoliberalismus breiter Konsens in Verwaltung, Wissenschaft und Bildung und gerade dadurch aber unsichtbar und verletzlich. Ohne bewusste Investitionen in Forschung, Lehre und öffentliche Debatte altert die Infrastruktur.
Heute: Technik über alles – und die Regeln rosten
Wir reden über KI, Startups und Innovation und selten über Eigentumsrechte, Vertragsfreiheit oder Wettbewerb als Kulturform. Philanthropie misst Wirkung oft in Quartalen und Klicks statt in Ideen, die eine Generation tragen. Doch gerade die unmessbaren Dinge sichern Stabilität: Vertrauen in Märkte, Fairness im Wettbewerb, Neugier auf ökonomisches Denken.
Fünf Leitlinien für moderne Förderer
- In Köpfe investieren, nicht in Kampagnen. Stipendien, Fellowships, Diskussionsräume schaffen Ideen; und nicht Social-Media-Posts.
- Akademische Freiheit stärken. Lehrstühle für Politische Ökonomie, Wettbewerbstheorie und Wirtschaftsgeschichte sind intellektuelle Infrastruktur.
- Brücken bauen. Neutrale Foren zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit erklären Wirtschaft, statt sie zu rechtfertigen.
- Langfristig denken. Ideen amortisieren sich in Generationen, nicht Quartalen.
- Empirisch bleiben. Gute Ordnungspolitik prüft ohne Dogmen Annahmen an Daten.
- Dieter von Holtzbrinck Stiftung: Stiftungsprofessur für Ökonomische Bildung (Universität Tübingen); Programm „Lehrkräfte erleben Wirtschaft“; Mitfinanzierung des frei zugänglichen Unterrichtsportals Teach Economy.
- Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland: Netzwerk von 130+ Unternehmen; Projekte wie KiTec und School2Start-up bringen Wirtschaft & Unternehmertum in Schulen – über 700 000 Teilnehmende.
- Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung: Langjährige Förderung von Wissenschaft, Lehre und Schülerlaboren; wenig Kampagnenlogik, viel Substanz.
Unternehmen investieren jährlich Millionen in Sport-Sponsoring. Beispiel: Der Technologiekonzern ZEISS unterstützt den Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena mit einem sechsstelligen Betrag pro Jahr – ein Engagement, das Sympathien weckt, aber ökonomisch wenig multipliziert.
Gedankenexperiment: Ein Bruchteil dieser Summe in ein Schülerprojekt oder eine Professur für Wirtschaftsdidaktik investiert könnte Tausende Jugendliche befähigen, wirtschaftlich zu denken. Sponsoring schafft Logos. Bildung schafft Leistungsfähigkeit.
Ein Wort zu Policy
Politik hilft, wenn sie den Rahmen stabil hält: klare Eigentumsrechte, konsistente Wettbewerbspolitik, transparente Regulierung. Den Geist, der Märkte trägt, kann sie nicht verordnen. Das ist Aufgabe einer aktiven Zivilgesellschaft – von Universitäten, Stiftungen, Unternehmerfamilien und Denkfabriken.
Fazit: Deutschland hat das Scaffolding einst vorbildlich gebaut. Jetzt geht es um Wartung. Nicht durch mehr Regulierung oder Subvention, sondern durch Bildung, Forschung und die geduldige Förderung freier Ideen. Das ist keine Nostalgie, sondern ökonomische Klugheit.
Comments
Post a Comment