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Bremer Schreibnacht

Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und  Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg organisieren für die Studierenden die virtuelle Schreibnacht .  Meiner Meinung ist es ein sehr gutes Projekt, das ich durch einen eigenen Beitrag unterstütze. Ich werde den Studierenden aufzeigen, wie sie datenbasierte Ausarbeitungen erfolgreich umsetzen. Ich werde natürlich auch die Nutzung von ChatGPT einbinden. Ich freue mich auf den regen Austausch. 

Was sind die Kosten unzureichender Diversifikation?

Alle sollen diversifizieren. Doch warum lohnt es sich eigentlich zu diversifizieren? Wird lediglich das Risiko gesenkt oder gar auch die Rendite verbessert? Wie hoch sind die Kosten unzureichender Diversifikation? 

Die Kurzantworten: Die Kosten unzureichender Diversifikation sind in Simulationsstudien im Mittel nach 10 Jahren:

  • in Bezug auf Rendite: ca. 3% weniger Rendite pro Jahr.
  • in Bezug auf Risiko: ca. 12% mehr Risiko pro Jahr. Oder anders gesagt: Unzureichend diversifizierte Portfolios erleiden im Schnitt alle 4 Jahre einen Verlust, während für breit diversifizierte Portfolios Verluste unwahrscheinlich sind. 
  • in Bezug auf Sharpe-Ratio: ca. 8 mal weniger pro Jahr .


Für eine reale Anlegerin auf dem deutschen Aktienmarkt gehen die Ergebnisse in die selbe Richtung.




Die Grundidee des Beitrags ist folgende: Selbst wenn alle Anleger im Aktienmarkt investiert sind, haben Anleger mit diversifizierten Portfolios einen Vorteil. Denn selbst bei gleicher Rendite werden die Portfolio mit besserer Diversifikation ein geringeres Risiko (gemessen durch die Standartdabweichung(STD)) und langfristig höhere Performance haben. Die weniger diversifizierten Portfolios werden dagegen durch reines Glück mal mehr, mal weniger Performance als der Gesamtmarkt haben. Die besser diversifizierten Portfolios werden dagegen beständigere Renditen haben und daher in der langen Frist besser abscheiden.


Das Gedankenexperiment

Wir führen hier ein vereinfachtes Gedankenexperiment durch, das zur Illustration des Problems dienen soll. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: In einem Aktienmarkt mit sehr vielen Aktien haben alle Aktien die gleich erwartete Rendite. Die Aktien sind untereinander nicht perfekt korreliert. Das bedeutet, wenn eine Aktie steigt, ist es möglich, dass eine andere Aktie im selben Moment sinkt; folglich können wir diversifizieren. Es ist gerade das typische Beispiel, wie die Diversifikation bzw. die Risikostreuung erklärt wird. 

Aber lohnt sich eigentlich, in einem solchen Aktienmarkt zu diversifizieren? Denn alle Aktien haben die gleiche erwartete Rendite und folglich haben auch alle Portfolios, egal wie wir sie konstruieren, die gleiche erwartete Rendite in jeder Periode. Um diese Frage zu beantworten, simuliere ich zunächst den einfachen Aktienmarkt aus dem Gedankenexperiment. Am Ende des Beitrags werde ich eine formale Art zeigen, wie ich die Ergebnisse der Simulation allgemein formalisieren kann. 

Ich simuliere einen Aktienmarkt mit 1000 Aktien, die identische erwartete Rendite von 8% p.a. bzw. 0.67% pro Monat haben. Die Schwankung der Renditen (gemessen durch die Standardabweichung (STD)) ist 15% p.a. bzw. 4.33% pro Monat. Die Aktien sind aber nicht perfekt miteinander korreliert sind. Dazu erzeuge ich zufällige Korrelationen zwischen den Aktien. [Experten-Hinweis: Natürlich ich die resultierende Matrix positiv-semidefinitiv.] 

Es gibt 6 Typen unterschiedlicher Investorinnen in diesem Markt. Typ 1 investiert in 1 Aktie, Typ 2 in 10 Aktien, Typ 3 in 20 Aktien etc. Die Aktien werden für jeden Typ rein zufällig ausgewählt. Das bedeutet, keine Typ der Investorinnen hat privates, überlegen Wissen, welche Aktien gut oder schlecht sind. Gemessen an der erwarteten Rendite sind alle Aktien gleich ‚gut‘, weil eben ihre erwartete Renditen identisch sind. Jeder Typ investiert in eine gleich gewichtetes Portfolio, d.h. die Investorin legt ihr Kapitel zu gleichen Teilen in jede Aktie an. Typ 1 legt ihr Vermögen vollständig in die eine Aktie, Typ 2 teilt das Vermögen in zehn gleiche Teile und legt es an etc. Von jedem Typ gibt es je 100 Investorinnen. Also, es gibt 100 Investorinnen, die in eine Aktie investieren, dann 100 Investorinnen, die in 10 Aktien investieren etc. 

Die Investorinnen von allen Typen legen ihr Geld am Anfang der Analyse an und schichten es nicht mehr um. Es handelt sich um eine typische Buy&Hold-Strategie (BH), die tatsächlich von vielen privaten Investor_innen auf realen Märkten praktiziert wird. Für die Berechnung der BH-Performance ist es wichtig, nicht die gleichgewichtete Portfoliorendite pro Zeitperiode zu nutzen, sondern die (zufälligen) Wertverschiebungen der Aktien zu berücksichtigen. Täten wir dies nicht, würden wir ein monatliches Rebalancing unterstellen, das kaum ein Investor macht. Denn in dem Fall des Rebalancings müssten wir die Outperformer verkaufen und die Underperformer kaufen. Selbst wenn diese Strategie sich als gut erweisen würde, sind häufig die psychologischen Hürden so hoch, dass die Investorinnen dies nicht machen.

Für jeden Typ (von dem es jeweils 100 Investorinnen gibt) bestimme ich das Endvermögen, wobei die anfängliche Investition für jeden Typ und jede Investorin 1 EUR ist und die Portfolios 120 Monate (entspricht 10 Jahren) gehalten werden. Die Ergebnisse sind nicht von der Anfangsinvestition abhängig und sie können einfach skaliert werden. Wenn die Investorin 1000 EUR zu investieren hat, sind alle Ergebnisse entsprechend mit 1000 zu multiplizieren. Bedeutend bei der Interpretation der Ergebnisse ist die Tatsache, nach der die Ergebnisse nicht durch Vermögensungleichheiten beeinflusst werden. Vielmehr tun wir so, dass jede Investorin 1 EUR entweder in 1 oder 10 oder 20 oder … Aktien investiert. Im nächsten Abschnitt gehe ich kurz darauf ein, warum ein höheres Anfangsvermögen die nachfolgenden Ergebnisse noch verstärkt.


Abbildung 1: Endvermögen für alle 6 Typen von Investorinnen in der Simulation

Die Visualisierung der Ergebnisse erfolgt in der Abb. 1 mithilfe von Boxplots, weil sie ein einfaches grafisches Tool sind, um deskriptive Statistiken darzustellen. Wir werden uns auf drei Kennzahlen konzentrieren. Die rote Linie in den Boxplots repräsentiert den Median. Median zeigt genau die 50% Grenze der Stichprobe. 50% der Investorinnen jeden Typs haben weniger verdient und 50% haben mehr verdient. Im Fall der Investoren von Typ 1 liegt der Median bei ca. 2.28. Folglich haben nach 10 Jahren 50% der Investorinnen weniger als 2.28 EUR und 50% mehr als 2.28. Die rote Linie ist im Rechteck dargestellt. Die untere bzw. obere horizontale Linie des Rechtecks stellen das 25% bzw. 75% Perzentil. Das 25% Perzentil zeigt das Vermögen an, bei dem 25% der Investorinnen weniger hatten und entsprechend 75% mehr. Für den Typ liegt das 25% Perzentil-Vermögen bei 1.51 EUR. Das entspricht einer Performance von (1.51/1-1)=0.51, also 51% über 10 Jahre. Auf die Jahre umgerechnet sind das (1+0.51)^(1/10) - 1=0.0418. Folglich haben 25% der Investoren eine jährliche Rendite von weniger als 4.18% realisiert, obwohl die erwartete Rendite 8% gewesen ist. Bei dem 75% Perzentil ist es entsprechend so, dass 75% der Investorinnen weniger hatten (und 25% mehr). Für den Typ 1 liegt das 75%-Perzentil bei 3.11. Folglich hat diese Investorin eine jährliche Rendite 12.03% realisiert. Da alle Aktien exakt die gleiche erwartete Rendite hatten, aber durch die zufälligen Schwankungen mal mehr mal weniger Performance aufwiesen, sind die unterschiedlichen Performances der Investorinnen vom Typ 1 natürlich rein zufällig entstanden. Folglich hatten die Investorinnen mit geringer Performance einfach Pech und die mit hoher Performance nur Glück.  

Ausgehend von der Abb. 1, stellt sich die Frage, wie die Ergebnisse für die sechs Typen von Investoren zu interpretieren sind? Starten wir vielleicht mit der Überlegung, wie das Ergebnis aussehen sollte, wenn die Bildung von Portfolios keine Rolle spielte. In diesem Fall sollten die Boxplots für alle 6 Typen annähernd identisch aussehen und ungefähr auf der gleichen Höhe in der Abbildung zu sein. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Erster Befund: Die Streuung der Ergebnisse sinkt mit zunehmender Typ-Nummer. Die Streuung der Ergebnisse (und somit Pech und Glück) bei dem Typ 1 ist viel höher als bei dem Typ 6. Aufgrund der Annahmen in der Simulation ist der Unterschied zwischen Typ 1 und 6 alleine darin begründet, dass der Typ 1 gar nicht und der Typ 6 breit diversifiziert ist. Das Ergebnis bedeutet übrigens auch, dass die Investorinnen vom Typ 6 nach 10 Jahren annähernd das gleiche Endvermögen besitzen. Zweiter Befund: Das mittlere Endvermögen steigt mit zunehmender Diversifikation. Es gibt natürlich Portfolios der Investorinnen von Typ 1, die sehr hohe Endvermögen aufweisen. Aber im Mittel schneiden die besser diversifizierten Portfolio besser ab. Das ist auf den ersten Blick überraschend, denn alle Aktien haben an sich die gleich erwartete Rendite. Aber die fehlende Diversifikation für die Portfolios von Typ 1 führen (im Mittel) zu größeren Schwankungen der Vermögen, die typischerweise nicht mehr nachgeholt werden können, selbst wenn der Markt im Anschluss sich besser entwickelt. Am Ende dieses Beitrags werde ich formal zeigen, dass dieser zweite Befund allgemein gilt und nicht aufgrund der Annahmen der Simulation zustande kommt. 





Die Tabelle 1 fasst die wichtigsten Ergebnisse für die drei Perzentil-Portfolios von allen Investorinnen-Typen zusammen. Die Streuung der Endvermögen (Panel A) sind für den Typ 6 im Vergleich zum Typ 1 deutlich weniger ausgeprägt. Im Panel B sehen wir die annualisierten Renditen für die Perzentil-Porfolios aller Typen. In diesem Beitrag wird nach den Kosten unzureichender Diversifikation gefragt. In Bezug auf die Renditen betragen die Kosten im Mittel ca. 3% pro Jahr. Doch die Analyse können wir erweitern. Im Panel C sind die Risiken der Portfolio anhand der Standardabweichung der Portfoliorenditen dargestellt. Die Standardabweichung wird in der Praxis als Volatilität bezeichnet und wird als Risikomaß verwendet. Die Unterschiede der Renditeschwankungen sind erheblich. Während die Investorin vom Typ 1 eine jährliche STD von ca. 15% trägt, reduziert sich die STD für die Typ-6-Investorin deutlich auf ca. 2.5%. Wenn die Kosten in Bezug auf das Risiko beziffert werden, sind die Vorteile gewaltig. Anstatt der wenig anschaulichen Kennzahl STD können wir das Risiko anders veranschaulichen. Unter der Annahme einer Normal-Verteilung bedeutet das Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit für eine negative Rendite für den mittleren Typ 1 bei ca. 28% liegt. Also ca. alle 4 Jahre wird die Typ-1-Investorin einen Verlust erleiden. Die Wahrscheinlichkeit für eine negative Rendite für den mittleren Typ 6 ist im Grunde 0%. Es ist daher in unserer Simulation sehr unwahrscheinlich, dass dieser Typ des Investors ein Jahr mit negativer Rendite erlebt. Im letzten Panel D der Tabelle 1 sind die Sharpe-Ratios ausgewiesen. Das ist das typische, risikoadjustierte Maß für die Beurteilung von Portfolios, indem wir die Rendite durch das Risiko teilen. Es gibt an, wie viel Rendite die Investorin pro Risikoeinheit als Entlohnung erhält. Wenig überraschend scheiden die Typ-6-Investorinnen sehr gut ab. Es ist wenig überraschend, weil wir wissen, dass sie die höchste Rendite bei niedrigstem Risiko erfahren. Die risikoadjustierte Performance der Typ-6-Investorin ist im Schnitt 8 mal höher als für die Typ-1-Investorin. Die Kosten schlechter Diversifikation bleiben in der Simulation sehr hoch. 


Die obige Simulation habe ich in Matlab programmiert. Wenn Interesse an den Codes besteht, schreiben Sie unten ein Kommentar. Ich werde dann einen anderen Beitrag verfassen, um die Codes zu erläutern, da sie nicht selbst erklärend sind. Die Simulation liesse sich natürlich deutlich erweitern, sowohl im Hinblick auf die Kapitalmarktsimulation als auch im Hinblick auf die Portfoliooptimierung.


Die Praxis

Natürlich setzt sich jede Simulation dem Vorwurf aus, dass sie möglicherweise nicht die Realität abbildet. Unsere Simulation hatte gar nicht diesen Anspruch erhoben, sie diente nur zur Verdeutlichung des Argumentes, nach dem sich die Diversifikation lohnt. Außerdem konnten wir eine erste Annäherung an die Frage wagen, wie hoch sind die Kosten unzureichender Diversifikation. 


Eine empirische Überprüfung auf der anderen Seite setzt sich immer dem Vorwurf aus, dass der Forscher gerade eine Periode für die Untersuchung ausgesucht hat, die besonders vorteilhaft oder nachteilig für eine Strategie ist. Für die nachfolgende Auswertung ziehe ich die Periode von Dezember 2006 bis Dezember 2016 heran. In diesem Zeitraum gab es sowohl sehr starke Aufwärts- als auch starke Abwärtsbewegungen sowie zwei veritable Krisen (Finanzkrise von 2008 sowie Griechenland-Krise). Ich ziehe alle deutsche Aktien heran, wobei die die Aktien zuerst nach statischen und dann nach dynamischen Filtern aus Datastream screen (Kurzeinführung in Datastream). Zusätzlich werden alle Micro-Aktien aus der Stichprobe entfernt. Als Micro-Aktie betrachte ich die Aktien, die in einem Monat unter dem 20%-Perzentil aller Marktkapitalisierungen waren. Ansonsten ist die Vorgehensweise identisch zu der Simulation. Es gibt 6 Typen von Investorinnen, pro Typ 100 Investorinnen, Aktien werden zufällig gewählt und als ein Buy&Hold-Investment gehalten. 




Die Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung für den deutschen Markt in Bezug auf das Endvermögen, die Portfoliorendite, das Portfoliorisiko und die Sharpe-Ratio zusammen. Die Ergebnisse bestätigen die obigen Simulationsergebnisse: Diversifikation lohnt sich sehr. Es sinkt nich nur das Risiko, vielmehr steigt auch die Portfoliorendite. Das ist vielleicht das überraschendste Ergebnis. Das Portfoliorisiko sinkt nicht ganz so dramatisch wie in der obigen Simulation, aber derEffekt ist signifikant. Unter der Annahme der Normalverteilung bedeutet die Standardabweichung, dass Typ-1-Investorin alle 2.5 Jahre einen Verlust erleidet, während die Typ-6-Investorin alle 5 Jahre einen Verlust erwarten kann.  

Die Ergebnisse der Tabelle 2 beruhen auf den empirischen Daten. Doch das unterstellte Verhalten der Investorinnen mag verwundern. Gibt es wirklich Investorinnen, die nur eine oder 2 Aktien kaufen? Die Antwort ist ja, sehr viele sogar. Eine jüngere Arbeit von Goetzmann/Kumar (2008) mit dem Titel “Equity Portfolio Diversification” schreibt [Änderungen durch mich]:
This study shows that U.S. individual investors hold under-diversified portfolios, where the level of under-diversification is greater among younger, low-income, less-educated, and less-sophisticated investors. The level of under-diversification is also correlated with investment choices that are consistent with over-confidence, trend-following behavior, and local bias. Furthermore, investors who over-weight stocks with higher volatility and higher skewness are less diversified. […] Under-diversification is costly to most investors, but a small subset of investors under-diversify because of superior information. 
Die Autoren zeigen ferner, dass ca. 30% der Anlegerinnen eine Aktie und ca. 20% zwei Aktien im Portfolio halten. Der Anteil der Anlegerinnen mit mehr als 15 Aktien im Portfolio liegt bei ca. 4%. So schlecht sind unsere Annahmen aus der Simulation und der empirischen Annäherung gar nicht! Gietzmann/Kumar (2008) verweisen auf weitere Arbeiten, die sich mit der ähnlichen Thematik für die USA beschäftigen.

Campbell/Ramadorai/Ranish (2019) (Titel: Do the Rich Get Richer in the Stock Market? Evidence from India) untersuchen die Entstehung der Wohlstandsungleichheit in Indien. Sie untersuchen die Frage, warum die wohlhabenden Anleger bei ihren Aktienanlagen besser als weniger wohlhabende Anleger abschneiden. Ihre Hauptergebnis ist: wegen der besseren Diversifikation, die durch höheres Anfangsvermögen ermöglicht wird. In unseren Analysen haben wir unterstellt, dass alle Investorinnen das gleiche Anfangsvermögen besitzen. Das ist in der Praxis häufig nicht der Fall. Vielmehr sind die Kleinaktionäre häufig schlecht diversifiziert, nicht weil sie es nicht besser wissen, sondern weil Ihnen schlicht das Vermögen fehlt, hinreichend viele Aktien zu kaufen, um breit diversifiziert zu sein. 


Ab wann ist man hinreichend gut diversifiziert


Unser Ergebnisse schlagen eine Mindestanzahl der Aktien von ca. 30 bis 40 Aktien. Wie viel Geld brauchen wir, um in so viele Aktien zu investieren. Leider ist in der Praxis der Kauf von Wertpapieren für Privatanleger recht teurer. Um auf Transaktionskosten von ca. 0.5% pro Kauf- und Verkauf zu kommen, müssen je Wertpapier ca. 3000 bis 5000 EURO investieren werden. Damit sind wir bei einem Mindestvermögen von 90000 - 200000 EURO. Die Mehrzahl privater Investorinnen ist ein solch hoher Betrag bei der ersten Anlageentscheidung ein Wunschtraum. Und selbst wenn Sie solches Vermögen besitzen, sollten Sie lieber auf die günstigeren Alternativen ausweichen, es sei denn, Sie haben privates Wissen, das Sie in die Lage versetzt, die richtigen Aktien auszuwählen. 

Die günstigen Alternativen für breit diversifizierte Portfolios sind die ETFs auf breitdiversifizierte Indizes, z.B. auf den MSCI Word.


Der formale Herangehensweise

Wie oben gezeigt, lohnt sich die Diversifikation sehr wohl auch in einem simulierten als auch in einen empirischen Markt. Dabei gilt: je besser die Diversifikation ist, desto höher ist auch langfristig das Endvermögen, das ich als Investor aufbauen werde. Doch lässt sich dieser Effekt formal zeigen? Wie eine ehemalige Kollegin süffisant erzählte, ist ‘Kreativität nur Ausdruck fehlender Literaturkenntnisse’. Wie sich herausstellte, ist die folgende Argumentation auch bei Markowitz (1976) zu finden. Ich habe meine Überlegungen an die dortige Notation angepasst. 

Nehmen wir an, wir haben ein Anfangsvermögen von $W_0$, welches wir in einen Markt für 1, 2, 3, …, T Jahre zu einem variierenden, diskreten Zinssatz $r_t^d$ investieren. Nach $T$ Jahren hat das Vermögen den Wert $W_T$ erreicht, das sich als

$W_T=W_0\Pi_t(1+r_t^d)$

berechnen lässt. 

$r_t^d$ ist die diskrete Rendite eines Investments (z.B. aus einem Portfolio). Es bedeutet, das Kapital wird nur zwischen zwei Zeitpunkten verzinst und zwischenzeitliche Zahlungen fallen nicht an. Es ist angenommen, dass $r_t^d$ eine Zufallsvariable mit konstantem Mittelwert und konstanter Varianz ist. 

Ausgehend von der obigen Gleichung können wir $W_0$ auf die linke Seite bringen und von beiden Seiten den Logarithmus nehmen. Dann erhalten wir

$\log(\frac{W_T}{W_0})=\log(\Pi_t(1+r_t^d))\Leftrightarrow$
$\log(\frac{W_T}{W_0})=\sum_t\log(1+r_t^d)=\sum_tr_t^s$
Der Ausdruck $log(1+r_t^d)$ ist die übliche Umrechnungsformel für die Bestimmung der stetigen Renditen $r_t^s$ ausgehend von der diskreten Rendite $r_t^d$. Folglich hängt das zu erreichende Endvermogen nach t Perioden von der Summe der stetigen Renditen ab. Interessanterweise lässt sich zeigen, dass für die erwartete stetige Rendite gilt:

$E(\log(1+r_t^d))=E(r_t^s)\approx\log(1+E(r_t^d))-0.5\cdot\frac{Var(r_t^d)}{(1+E(r_t^d))^2}$

Somit ist klar: Das Endvermögen wird umso höhere sein je kleiner die Varianz der Portfoliorenditen. Die Varianz ist die quadrierte Standardabweichung. Das heisst, wenn wir es schaffen, durch die Diversifikation die STD zu senken, desto höher wird auch unser Endvermögen und auch unsere Performance sein. Natürlich gilt dieses Argument nur als Approximation unter der Argumentation mit den Erwartungswerten, aber bei einer hinreichend hohen Anzahl von Investoren und hinreichend langen Zeiträumen werden besser diversifizierte Investoren klar im Vorteil sein.







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