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Bremer Schreibnacht

Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und  Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg organisieren für die Studierenden die virtuelle Schreibnacht .  Meiner Meinung ist es ein sehr gutes Projekt, das ich durch einen eigenen Beitrag unterstütze. Ich werde den Studierenden aufzeigen, wie sie datenbasierte Ausarbeitungen erfolgreich umsetzen. Ich werde natürlich auch die Nutzung von ChatGPT einbinden. Ich freue mich auf den regen Austausch. 

Zinsen, Zinsstruktur, BIP-Wachstum und der Aktienmarkt

In einem früheren Blog habe ich einige empirische Beobachtungen über den Zusammenhang zwischen Zinsstrukturkurve und Rezessionen beschrieben. Damals war ich selbst überrascht, wie gut die Faustregel ‚Negative Zinsstrukturkurve = Rezession‘ funktioniert. Selbst die US-amerikanische FED hat eine Studie zum Zusammenhang zwischen der Inversion der Zinsstrukturkurve und dem Auftreten von Rezessionen veröffentlicht. In der Zwischenzeit habe ich ein wenig mehr darüber gelesen und weitere empirische Analysen durchgeführt. Die Beschreibung der Ergebnisse ist Gegenstand dieses Updates zu Zinsen, BIP und Aktienrenditen.


Die Entwicklung der Zinsen über die Zeit


Die Zinsstrukturkurve ist eine einfache Abbildung, in der die Zinsen (präziser: Effektivzinsen bzw. Yield-To-Maturity) gegen die Restlaufzeit von Anleihen einer Emittentin dargestellt wird. Typischerweise ist in den Nachrichten, in der Tagespresse und in Lehrbüchern die Zinsstruktur von Staatsanleihen gemeint, wenn über die Zinsstruktur berichtet wird. So auch in diesem Blog-Beitrag – hier wird spezifisch über die Zinsstruktur von deutschen Bundesanleihen berichtet.


Die Zinsstruktur kann grundsätzlich beliebige Formen annehmen, aber typischerweise gibt es drei Typen von Zinsstrukturkurven. Erstens, die normale Zinsstrukturkurve als eine steigende Funktion der Restlaufzeit, d.h. je länger die Verschuldungsperiode ist, desto mehr Zinsen sollten die Schuldner zahlen. Zweitens, die flache Zinsstrukturkurve, die einen konstanten Zinssatz unabhängig von der Restlaufzeit aufweist. Dieser Fall ist beliebt in den ersten Wochen der Vorlesungen ‚Einführung in die Finanzwirtschaft‘, aber er sollte selten in der Realität zu beobachten sein. Drittens, die inverse Zinsstrukturkurve als eine sinkende Funktion der Restlaufzeit, d.h. je länger die Restlaufzeit ist, desto tiefer der Zinssatz für den Schuldner. Mit der inversen Zinsstrukturkurve könnte eine Investorin sich für ein Jahr z.B. zu einem Zins von 1% p.a. verschulden und dann monatlich z.B. zu 0.2% investieren und würde $(1+0.002)^{12}-1=0.02426$ oder 2.426% verdienen. Da die langfristig anhaltende inverse Zinsstrukturkurve ökonomisch sehr schwer erklärbar ist, sollte sie nur temporär auftreten, wenn sich die Erwartungen der Marktteilnehmer radikal ändern. Dazu später mehr.

Der historische Verlauf der nominalen Zinsen ist in der Abb. 1 für Deutschland für die Restlauzeiten von 1, 3, 5, 7 und 10 Jahren dargestellt. Alle Daten bis auf die Rezessionszeiten in diesem Beitrag sind von der Bundesbank. Grau hinterlegten Bereiche sind die Rezessionszeiten für Deutschland laut der OECD, von der auch die Rezessionsdaten stammen. 
Abb. 1
Aus der Abb. 1 werden mir zwei Befunde bewusst. Zum einen gibt es einen langlaufenden rückläufigen Trend des nominalen Zinsniveaus. Dieser Befund ist international nicht ungewöhnlich, da er auch für andere entwickelte Volkswirtschaften festgestellt wurde. Eine überzeugende Erklärung für den Befund ist dagegen noch nicht gefunden; meine Favoriten sind Theorien, die das sinkende BIP-Wachstum und die Altersstruktur der Bevölkerung in den Mittelpunkt der Analysen rücken. Zum anderen sind für Deutschland die Zinsunterschiede zwischen einer Bundesanleihe mit einer Restlaufzeit von einem Jahr (1-Y-Linie in der Abbildung) und einer Restlaufzeit von 10 Jahren (10-Y-Linie in der Abbildung) eher gering. Der geringe Zinsunterschied bietet den Banken kaum Gelegenheiten an, eine Zinsmarge (= Gewinnmarge) aufzubauen. Somit können wir auf einen hohen Wettbewerbsdruck schließen, durch den die Banken keine Gewinnmarge erwirtschaften können. Das mag auf den ersten Blick vorteilhaft sein. Aber wenn wir darüber länger nachdenken, werden wir auf den Gedanken kommen, dass Banken mit dem Kreditgeschäft wenig bis kein Geld verdienen und daher auf Nicht-Kreditgeschäfte ausweichen, z.B. Kreation und Verkauf von Finanzinnovationen, die sie selber nicht verstehen und in die Beinahe-Insolvenzen treibt. Die Insolvenzen werden durch Steuergelder vermieden; das Geld hätte ich lieber behalten (Steuersenkungen) oder in die Bildung investiert. Zusätzlich muss beachtet werden, dass ein funktionierender Kreditmarkt sehr wichtig für ökonomische Entwicklung ist.
Abb. 2
In der Abb. 2 sind für ausgewählte Zeitpunkte die jeweilige Zinsstrukturkurven dargestellt, d.h. auf der x-Achse sind die Restlaufzeiten und auf der y-Achse die Zinsen dargestellt. Auf der positiven Seite lässt sich feststellen, dass die Zinsstrukturkurve zumeist aufwärtsgerichtet ist und somit der normalen Zinsstrukturkurve entspricht. Allerdings ist die Steigung der Zinsstrukturkurve minimal. Die Zinsunterschiede zwischen den kurzen und den langen Restlaufzeiten sind gering und sind für die ausgewählten Jahre unter 1.5%.

Nach der Finanzkrise 2008 hat sich zusätzlich das Niveau der Zinsen erheblich abgesenkt. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise (Dez-2007 in der Abbildung 2) war die Zinsstruktur annähernd flach bei 4%. Im Jahr 2012 (Dez-2012 in der Abbildung) lagen die kurzfristigen Zinsen bei ca. 0% und im Jahr 2017 sind auch die langfristigen Zinsen bei ca. 0%. Mit Zinsen lässt sich in Deutschland seit 2008 für Banken kein Geld verdienen.


Zinsen und das Wachstum der Wirtschaft


Die nominalen Zinsen reflektieren grundsätzlich Erwartungen der Marktteilnehmer über die Inflation und über die realen Zinsen. Daher können wir die nominalen Zinsen als


$r=E(\pi)+E(r_{real})$
mit:
$\pi$ - Inflation
$r_{real}$ - realer Zins

aufschreiben. Die Formel gibt eine Intuition, warum die Zinsstrukturkurve normal sein soll. Wenn zu einem Zeitpunkt die Erwartung über die Inflation für die kurze und die lange Frist gleich ist, dann wird die Erwartung über die realen Zinsen den Typ der Zinsstruktur beeinflussen. Die realen Zinsen sind die Entlohnung der Investorinnen für ihren temporären Verzicht auf das Geld. Da der heutige Verzicht auf das Geld gleichbedeutend mit einem Verzicht auf den heutigen Konsum ist, werden die Investorinnen das Geld nur dann anlegen, wenn sie erwarten, zu dem Zeitpunkt der Investitionsrückzahlung mehr als heute zu konsumieren. Die Erwartungen über die realen Zinsen spiegeln somit auch die Erwartungen über das ökonomische Wachstum wider, da die realen Zinsen nur dann positiv sein können, wenn das wirtschaftliche Wachstum höher als die Inflationsrate ist.

Wann kommt es zur Inversion der Zinsstrukturkurve, also die langfristigen Zinsen geringer sind als die kurzfristigen Zinsen? Dazu können zwei Faktoren beitragen. Zum einen können die langfristigen Erwartungen von Investorinnen über das wirtschaftliche Wachstum unterhalb der kurzfristigen Erwartungen sinken. Folglich wäre die Befürchtung eines langfristig unterdurchschnittlichen Wachstums der Grund für die inverse Zinsstrukturkurve. Zum anderen können die Investorinnen einen Anstieg der Inflation in kurzer Frist erwarten. Dann werden die kurzfristigen, nominalen Zinsen steigen und dadurch zur Inversion beitragen. Der wichtigste Marktteilnehmer, dessen einzige Sorge der Inflation gilt, ist die Zentralbank. Die Aktionen der Zentralbanken, d.h. die Anhebung des Leitzinses, haben in der Regel in der Vergangenheit zur Bildung der inversen Zinsstrukturkurve geführt. In Boom-Phasen steigt die Inflation häufig an, die Wirtschaft läuft gut, Arbeitsmarkt ist leergefegt und die Zentralbank versucht mit höheren Zinsen die Investitionen in Realwirtschaft weniger attraktiv zu machen. Dadurch tragen die Zentralbanken zur Verlangsamung des BIP-Wachstums und die Inversion der Zinsstrukturkurve ist der Vorbote. 
Abb. 3
Der Zusammenhang zwischen dem Leitzins der Zentralbank, den kurzfristigen (einjährigen) und den langfristigen (zehnjährigen) Zinsen ist in der Abb. 3 nochmals verdeutlicht. Zumindest bis zur Finanzkrise 2008 haben die sprunghaften Leitzinserhöhungen die kurzfristigen Zinsen über das Niveau der langfristigen Zinsen ansteigen lassen. Es erscheint auch intuitiv, da die Zentralbank eher die kurzfristigen Zinsen als die langfristigen durch ihre Aktionen beeinflussen kann. Nach dem Jahr 2012/2013 beobachten wir eine ökonomisch unsinnige Situation, in der die kurzfristigen Zinsen kleiner als der Leitzinssatz sind.

Nach der Abb. 3 führt nicht die Erwartungen der Investoren über die langfristige ökonomische Entwicklung der realen Zinsen zur Inversion der Zinsstruktur. Es sind die Aktionen der Zentralbanken durch die sprunghafte Anhebung der Leitzinsen, die vor allem die kurzfristigen Zinsen über das Niveau der langfristigen Zinsen haben steigen lassen. Da es empirisch einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer inversen Zinsstrukturkurve und Rezessionen gibt, könnten wir behaupten, dass die Aktionen der Zentralbanken zu Rezessionen führen. 

Die ökonomische Entwicklung ist allerdings keine binäre 1-0-Variable, bei der es nur auf die (Wahrscheinlichkeit einer) Rezession ankommt.  Ähnlich sollte die Steigung der Zinsstrukturkurve und nicht ausschließlich die Tatsache, ob sie invers ist oder nicht, einen Zusammenhang zum BIP-Wachstum aufweisen. In der Abb. 4 wird stellvertretend der Zusammenhang zwischen der Zinsdifferenz der Anleihen mit zehnjährigen und einjährigen Restlaufzeiten (10Y-1Y in der Abbildung) und dem einjährigen zukünftigen BIP-Wachstum (BIP-4-Qrt-Lead) dargestellt. D.h. jeder Balken in der Abbildung entspricht dem Wachstum des nächsten Jahres, das unmittelbar auf das Quartal t folgt. Für BIP liegen die Daten in Quartalsfrequenz vor, daher stellen 4 Quartale das nächste Jahr dar. 
Abb. 4

In der Abb. 4 ist der Zusammenhang nicht perfekt, dennoch lässt sich ein Zusammenhang nicht gänzlich ablehnen. Die Zinsdifferenz, und mittelbar die Steigung der Zinsstrukturkurve, scheint dem zukünftigen BIP-Wachstum vorauszulaufen. Für eine eingehendere Analyse greife ich auf die Analysen von Ang/Piazzesi/Wie (2006) aus dem ‚Journal of Econometrics‘ zurück. Hier repliziere ich deren Tabellen 2 und 3 für Deutschland. Die Autoren nutzen verschiedene Regressionsanalysen, um den Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und den Zins zu untersuchen.

Die Y-Variable der Regression ist das reale BIP-Wachstum von Periode t zur Periode t+k in der Quartalsfrequenz: 
$g_{t\rightarrow t+k}=\frac{1}{k}\left(\log(BIP_{t+k})-\log(BIP_t)\right)$
Die BIP-Daten sind als Kettenindex angegeben, daher ist die Rückrechnung mittels des sog. ‚De-Compounding‘ (daher die Logarithmen) notwendig. Drei Zinsdifferenzen stellen jeweils die X-Variable dar. Seien $r_t^n$ die Zinsen für Anleihen mit Restlaufzeit von n Jahren zum Zeitpunkt t. Dann ist $(r_{(t-1)}^{10}-r_{(t-1)}^n )$ die Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen und n-jährigen Anleihen. 

Die erste prädiktive Regression ist in der Gleichung (1) dargestellt.
$(1)\qquad  g_{t\rightarrow t+k}=\alpha_k^n+\beta_k^n(r_{(t-1)}^{10}-r_{(t-1)}^n )+\varepsilon^n_{t+k,k}$
Im Zeitpunkt t wird das BIP-Wachstum der nächsten k Quartale mithilfe einer Konstante $\alpha$ und der Sensitivität $\beta_k^n$ gegenüber der Zinsdifferenz der Vorperiode t-1 modelliert. 

Die Tabelle 1 fasst die Ergebnisse der Regression (1) für die Sensitivität $\beta_k^n$ sowie die adjustierten Bestimmtheitsmaße R2 vom ersten Quartal 1970 bis zum dritten Quartal 2018 zusammen. [Für die Expertinnen unter den Leserinnen: In der Regression (1) wird das langfristige BIP-Wachstum als abhängige Variable benutzt. Somit werden in der Regressionsanalyse überlappende Perioden für die y-Variable benutzt, womit ein Moving-Average-(MA)-Prozess in die Residuen $\varepsilon_{(t+k,k)}^n$ induziert werden könnte. Daher nutze ich die sog. HAC-Korrektur der Standardfehler (SE) für die Koeffizienten, die eventuelle Heteroskedastizität und MA-Fehler bei der Berechnung von SE bereinigen] Die Ergebnisse aus der Tabelle 1 bestätigen die Ergebnisse aus der verwandten Literatur. Erstens, die höchsten Bestimmtheitsmaße erhalte ich für die Zinsdifferenz zwischen 1 und 10 Jahren Restlaufzeit. Die gefundenen Ergebnisse sind dabei sowohl statistisch als auch ökonomisch signifikant. [Statistisch signifikant sind die Ergebnisse, wenn Koef/SE>2 ist.] Zweitens, mit zunehmenden Zeithorizont des BIP-Wachstums werden die Ergebnisse ebenfalls besser, sowohl gemessen am R2 als auch an der Höhe der Sensitivitäten als auch an der Signifikanz. 

Die Ergebnisse aus der Tabelle 1 zeigen jedoch auch an, dass die Zinsdifferenzen zwischen 2 und 10 bzw. 0.5 und 10 Jahren ebenfalls signifikante Ergebnisse liefern. Dies könnte als ein Hinweis interpretiert werden, nach dem Informationen aus der gesamten Zinsstrukturkurve benutzt werden sollen. Aufgrund der hohen Korrelation zwischen den Zinssätzen für die Anleihen mit unterschiedlichen Restlaufzeiten ist die Verwendung aller Laufzeiten in einer Regression nicht empfehlenswert. Daher benutze ich die Hauptkomponentenanalyse (PCA) zur Extraktion der ersten drei Hauptkomponenten (PC). Die PC haben untereinander keine Korrelation, womit ein großer Vorteil für die Regressionsanalyse erwächst. Es stellt sich ferner heraus, dass die ersten drei PC mehr als 97% der Zinsstrukturkurve erklären können. [Wer mehr über die Modellierung der Zinsstrukturkurve mittels der PCA lesen möchte, empfehle ich als ersten Einstieg die Beschreibung von Moody’s oder wer es akademischer mag, den Artikel von Litterman/Scheinkman (1991): „Common Factors Affecting Bond Returns“, Journal of Fixed Income] Als weiterer Vorteil kommt die Möglichkeit der inhaltlichen Interpretation dieser PC, die es bei gewöhnlichen PCAs nicht gibt. Die erste PC nennt man Level-Faktor, weil er inhaltlich eine Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve beschreibt. Die zweite Hauptkomponente wird als „Steepness“-Faktor bezeichnet, weil er inhaltlich die Änderung der Steigung repräsentiert. Und schließlich wird die dritte Hauptkomponente als „Corvature“-Faktor bezeichnet, weil er inhaltlich die Änderung der Krümmung darstellt.

Für die nachfolgende Regressionsanalyse werden zu jedem Zeitpunkt t die ersten drei PC anhand der vorangegangen 60 Beobachtungen von t-60 bis t-1 extrahiert und anschliessend die Regression (2) geschätzt. 
$(2)\qquad g_{(t+1\rightarrow t+1+k)}=\alpha_k^n+\sum_{j=1}^3β_{i,k}PC_i+\varepsilon_{t+1+k,k}^n$ 

Die Regression (2) wird für alle Zeitpunkte t anhand neu geschätzter PC-Faktoren bestimmt, womit ich eine Zeitreihe von allen drei $\beta$-Sensitivitäten des zukünftigen BIP-Wachstums gegenüber den drei PC erhalte. In der Tabelle 2 sind die mittleren Sensitivitäten der jeweiligen Zeitreihe und ihre Standardfehler dargestellt. Da die drei $\beta$-Sensitivitäten vermutlich stark autokorreliert sind, verwende ich die Newly-West-korrigierten Standardfehler mit 4 Lags. 

Die Tabelle 2 stellt die Ergebnisse der Regression (2) dar. Für mich ist wieder erstaunlich, dass mit zunehmenden Zeithorizont für das BIP-Wachstum das Bestimmtheitsmaß ebenfalls steigt. Ferner scheint in Deutschland der erste Faktor (Level) mit Abstand am wichtigsten zu sein. Beispielsweise sind für die USA die ersten beiden Faktoren bedeutend. Das Ergebnis ist überraschend, weil die Ergebnisse für die erste Regression vermuten ließen, dass die Zinsdifferenz wichtig für die Prognose des BIP-Wachstums ist. Nach den Ergebnisse der PCA ist jedoch vor allem das Niveau der Zinsen und nicht die Zinsdifferenz (und somit die Steigung der Zinsstruktur) bedeutend. 


Zinsen und Aktienrenditen

Jede Investorin behält das BIP-Wachstum im Auge, aber normalerweise gilt das Hauptaugenmerk den Aktienrenditen. Nachfolgend wiederhole ich die beiden Regressionen aus dem vorangegangenen Abschnitt, aber anstelle des quartalsweisen BIP-Wachstums als abhängige Y-Variable nutze ich die quartalsweisen DAX-Renditen ($r_{t\rightarrow t+k}$). Die Zinsdifferenz bzw. die PC bleiben als unabhängige Variablen bestehen.

Die Tabelle 3 präsentiert die Ergebnisse der Regression von DAX-Renditen auf die Zinsdifferenzen. Die Koeffizienten der Zinsdifferenzen sind höher im Vergleich zur BIP-Regression und zumeist statistisch signifikant. Scheinbar wiederholt sich der Befund, nach dem mit zunehmendem Zeithorizont das Bestimmtheitsmaß steigt. Auch wenn das Bestimmtheitsmaß sehr gering aussieht, handelt es sich hierbei um prädiktive Regressionen, deren Bestimmtheitsmaße selten über 0.15 ansteigen. Selbst so geringe Bestimmtheitsmaße können dennoch ökonomisch bedeutend sein, d.h. Investorinnen können mit der Prognose mehr Rendite als beim bloßen Raten erzielen.

Die Tabelle 4 präsentiert die Ergebnisse für die Regression von DAX-Renditen auf die ersten drei PC der Zinsen. Das Bestimmtheitsmaß der prädiktiven Regressionen steigt wieder mit zunehmendem Zeithorizont und ist überraschend hoch. Neben dem Level-Faktor ist vor allem der dritte Faktor (Corvature) wichtig für die Prognose. Die Koeffizienten des dritten Faktors sind wertmäßig hoch und statistisch signifikant. Der erste Faktor, der ebenfalls statistisch signifikant ist, hat negative Koeffizienten, der einen inversen Zusammenhang zwischen der Höhe der Zinsen und der Aktienrenditen nahelegt. Tatsächlich wurde ein solcher Zusammenhang zwischen den Anleihen- und den Aktienrenditen schon lange beobachtet und wird hier zusätzlich bestätigt. 


Zusammenfassung

Die Zinsstrukturkurve scheint informativ sowohl in Bezug auf das BIP-Wachstum als auch auf die DAX-Aktienrenditen zu sein. Allerdings gibt sowohl das derzeitige Niveau der Zinsen als auch die geringe Differenz zwischen den kurzfristigen und langfristigen Zinsen Anlass zur Vorsicht. Zum einen hat der Level-Faktor einen negativen Koeffizienten. Da die Zentralbanken einen langsamen Anstieg der Zinsen veranlassen, werden die (langfristigen) BIP- und DAX-Renditen eher fallen. Zum anderen ist für Deutschland das Zinsniveau für 10-jährige Anleihen sehr niedrig. Wenn der Staat sich für 10 Jahre zu 0% Zinsen Geld beschaffen kann und somit die disziplinierende Wirkung des Marktes scheinbar ausfällt, könnten die Politiker auf die Idee kommen, Geld für unnötige Wahlversprechen anstatt es nur für die Zukunft (z.B. Bildung) auszugeben.

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