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Bremer Schreibnacht

Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und  Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg organisieren für die Studierenden die virtuelle Schreibnacht .  Meiner Meinung ist es ein sehr gutes Projekt, das ich durch einen eigenen Beitrag unterstütze. Ich werde den Studierenden aufzeigen, wie sie datenbasierte Ausarbeitungen erfolgreich umsetzen. Ich werde natürlich auch die Nutzung von ChatGPT einbinden. Ich freue mich auf den regen Austausch. 

Folgt Inflation auf die COVID-19-Krise?

Die gegenwärtige COVID-19-Krise und die Reaktion der Staaten zur Unterstützung der Wirtschaft haben zu einem Anstieg der Verbindlichkeiten geführt. Holger Sandte und Adalbert Winkler (Die Mär von der Belastung der jungen Generation) [Link: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-06/staatsverschuldung-konjunkturpaket-junge-generation-belastung] weisen in ihrem Beitrag zurecht hin, dass es neben den Verbindlichkeiten auch Forderungen entstehen, die im gleichen Ausmaß angestiegen sind. Einen Punkt beleuchten die Autoren nur kurz: Wie sollen die Regierungen und Staaten diese zusätzlichen Verbindlichkeiten eigentlich zurückzahlen? 


Erstens, Regierungen könnten Steuern erhöhen. Eine Steuererhöhung würde die Wirtschaft in der Zukunft belasten. Zusätzliche Steuer verwässern bei nicht-selbstständigen Einkommen die Leistungsgerechtigkeit und können Kapitaleinkommen häufig nicht greifen. Zweitens, Regierungen könnten die Ausgaben kürzen. Doch gerade in der Krise wird deutlich, dass die Regierungen mehr, und nicht weniger, für die Infrastruktur der Zukunft, die Seuchenbekämpfung, den nachhaltigen Umbau der Energie und der Wirtschaft und auch die systemrelevanten Berufe ausgeben sollen. Drittens, Regierungen könnten Haircuts beschließen, bei den sie die aufgenommenen Verbindlichkeiten teilweise oder gänzlich nicht zurückzahlen. Die Regierungen der Euro-Staaten werden diesen Weg aufgrund des Reputationsverlustes nicht bestreiten. Viertens, wir können auf einen starken exogenen Einfluss, vergleichbar mit der Wiedervereinigung und dem gemeinsamen Binnenmarkt mit einer Währung, gepaart mit überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum hoffen, um die Verbindlichkeiten abzutragen.  Fünftes, Regierungen könnten den inflationären Preisdruck zulassen. Durch eine moderate und temporäre Inflation, die 1-2 Prozentpunkte höher als der historische Durchschnitt ist, z.B. 3-4% anstelle von 2% über einen Zeitraum von 5-10 Jahren, könnten die Regierungen die reale Last der öffentlichen Verbindlichkeiten senken. Erfolgreiche Beispiele dieser Politik stellt Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. In den Jahren 1918-1923 hat die Inflation vor allem die kriegsbedingten, inländischen Verbindlichkeiten real gesenkt und so zur Entschuldung beigetragen. 

Diesjährige Lockdowns haben Nutzen gestiftet und Kosten verursacht. Wir alle partizipieren am Nutzen und an den Kosten. Allerdings sind sie ungleich verteilt. Die Kosten der Schließungen tragen hauptsächlich die ökonomisch Benachteiligten und die Jüngeren. Sehr viele Jüngere haben ihre Arbeitsplätze verloren oder gar nicht antreten können. Absolvent*innen, eigentlich einen exzellenten Arbeitsmarkt erwartend, bekommen innerhalb von Wochen zu hören, gar keinen Arbeitsplatz, nicht mal Praktikum, antreten zu können. Die ökonomisch Benachteiligten üben Tätigkeiten aus, die sie dem Virus stark ausgesetzt hatte. Sie werden an einer wirtschaftlichen Erholung aufgrund ihres nominalen Arbeitseinkommens wenig partizipieren. Die Kosten der Krise betreffen die Älteren und die Vermögenden zu einem geringeren Teil. Als langjährig Angestellte verlieren sie in der Regel nicht als erste ihren Arbeitsplatz. Die Rentnerinnen bekommen ihre verdiente Rente. Die Älteren als eine Gruppe haben den höchsten Nutzen aufgrund ihrer hohen Mortalität durch Covid-19 von den bisherigen Schließungen und die geringsten Kosten zu tragen. Dagegen profitieren die ökonomisch Benachteiligten und die Jüngeren als Gruppe am wenigsten von den Schließungen und tragen gegenwärtig den höchsten Anteil der Kosten. 

Dieser Transfer innerhalb der Gesellschaft ist absolut angemessen, sinnvoll und berechtigt. Aber wenn die heutigen Verbindlichkeiten von Jahr zu Jahr weiter in die Zukunft verschoben werden, dann werden die heute Benachteiligten ohne Vermögen oder ohne Erbe zusätzlich zu den aktuellen Kosten auch die Last der Rückzahlungen tragen müssen. Bei einer etwas über den Durchschnitt liegenden Inflation könnte die Verteilung etwas anders aussehen, weil Inflation einen größeren Effekt auf die Vermögenden hat. Die Jüngeren und ökonomisch Benachteiligte leben vom Arbeitseinkommen, welches gewöhnlich zusammen mit der Inflation und Produktivität steigt, und haben private Verbindlichkeiten. Die Vermögenden und die Älteren haben häufiger Finanz- und Immobilienvermögen akkumuliert, deren reale Wert durch Inflation gesenkt wird. In diesem Sinne ist eine moderate Inflation als ein Transfer von den Vermögenden, deren Finanz- und Immobilienvermögen an (realem) Wert verliert, an die heute Jüngeren und ökonomisch Benachteiligten zu verstehen, für die der Wert abzutragender öffentlicher Verbindlichkeiten sinkt. 

Eine hohe Inflation in naher Zukunft ist indes nicht zu erwarten. Tatsächlich ist aktuell eher deflationärer Druck aufgrund der geringeren aggregierten Nachfrage zu befürchten. Nach der Krise ist inflationärer Druck wahrscheinlich, denn die Menschen wieder zu konsumieren beginnen. Diese Konsumausgaben üben zumindest teilweise einen inflationären Druck aus. Ferner wird diese Krise anders sein, denn wir werden Verhaltensänderungen sehen. ‚Social-Distancing‘ und die damit verbinden Maßnahmen werden Kosten verursachen. Wenn Restaurants ihre Tische weiter auseinanderstellen müssen, werden sie weniger Tische aufstellen und vermutlich die Preise erhöhen müssen. Ähnliches gilt für Flugzeuge, Bahn, Hotels etc. Wenn Unternehmen Hygienemaßnahmen einhalten, werden sie höhere Kosten zu tragen haben. Wenn multinationale Unternehmen ihre internationale Lieferketten neu aufsetzen, um nationale Produktion zu erhöhen, wird es zu Kostenineffizienzen kommen. Diese Kosten könnten teilweise an die Kunden durch höhere Preise weitergegeben werden, wodurch Inflationsdruck erzeugt wird. Nicht zuletzt werden viele Firmen durch die Krise insolvent werden. Die Konkurrenten werden mehr Marktanteile besitzen – und weniger Konkurrenz. Beides ist häufig mit einer höheren Preissetzungsmacht verbunden. Auch dieser Aspekt könnte den Inflationsdruck steigern. 

Falls die Inflation tatsächlich steigt, wird es an den Zentralbanken liegen, ob und wie sie dagegen vorgehen. Diese Krise könnte die Stimmen verstärken, die die Unabhängigkeit der Zentralbanken in Frage stellen. Erinnern wir uns an die letzten drei Krisen: Finanzkrise von 2008, Euro-Banken-Krise 2012-2013 und die aktuelle COVID-19 Krise. In allen drei Krisen haben gerade die Zentralbanken die Schlüsselrolle gespielt, um die Auswirkungen der Krisen einzudämmen. Viel Regierungen werden diesen Punkt sehr wohl sehen und realisieren, dass sie zumindest zusätzliche Kontrolle über die Zentralbanken haben wollen. Wir können uns sehr leicht den Druck einiger Regierungen und Parteien ausmalen, den die Regierungen auf die Zentralbanken ausüben werden, um zumindest ihr Mandat auszuweiten und bei der Abtragung der Verbindlichkeiten aufgrund der Covid-19-Krise auszuhelfen. 

Daher sollten wir nicht überrascht sein, wenn wir überdurchschnittliche Inflation nach der Krise sehen. 


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