Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit am Gründungswochenende@HSB als Coach teilzunehmen. Ich bin immer noch begeistert vom Team bei FreiRAUM@HSB. Einerseits die absolut professionelle Organisation und das Matchen unterschiedlicher Charaktere sowohl bei den Studierenden als auch bei den Coaches. Meine Aufgabe als Coach war es, bei zwei interessanten Projekten kritische Fragen zu stellen. Das erste Projekt hatte eine Lösung von Problemen im öffentlichen Nahverkehr für die Menschen mit Mobilitätsbehinderung spezialisiert. Damit waren nicht nur die Menschen gemeint, die auf einen Rollstuhl angewiesen waren, sondern auch beispielsweise ältere Personen, für die die Stufe zum Einstieg in den Bus eine Herausforderung darstellte. Es war eine technische Idee mit einem Luftkissen. Ich hatte das Gefühl, dass die (jungen) Studierenden sich sehr viel Gedanken über das Produkt gemacht haben, aber noch nicht über die Marktstruktur im öffentlichen Nahverkehr in Deutschland. Das zweite Projekt hatte
In letzter Zeit forsche ich wieder verstärkt im Bereich Asset Pricing. Bei der Lektüre der (makroökonomischen) Marktmodelle habe ich häufiger Arbeiten über Lebenszyklusmodelle gelesen. Bei den Volkwirten sind die Lebenszyklusmodelle beliebt, weil sie eine dynamische Modellierung einer Ökonomie mit mehreren Generationen erlauben. Ein Teil dieser Modelle bezieht sich auf das Sparverhalten der Individuen. Nach einem zentralen Ergebnis dieser Modelle sparen die Individuen in ihrem jeweiligen mittleren Alter, um im Alter (in der Rente) zu konsumieren.
Es liegt nahe, den Gedanken des Sparens in Bezug auf den Aktienmarkt zu setzen. Damit ist (scheinbar) ein Link zwischen der demografischen Struktur eines Landes und der Entwicklung des jeweiligen Aktienmarktes gegeben, wie es z.B. Amid Goyal beschreibt. Für eine hervorragende, kritische Literaturübersicht verweise ich auf die Arbeit von Zheng Liu und Mark Spiegel. In einer Volkswirtschaft mit vergleichsweise vielen Mid-Agers (Personen mittleren Alters, hier meine ich die Personen zwischen 25 und 65) im Vergleich zu Älteren wird mehr gespart und daher sollten die Aktienpreise steigen. Die Älteren ‚entsparen‘ ihr Vermögen in der Rente, um ihren Lebensstandard zu halten. Die ganz Jungen (0-25) haben in der Regel gar kein Einkommen und können daher nicht sparen.
Wie sieht der Zusammenhang zwischen der Aktienmarktentwicklung und Altersstruktur aus?
Die Analyse setze ich in der ersten Annäherung durch einen visuellen Vergleich um, da ich meinen Punkt auch ohne multiple Regressionen (hoffentlich) deutlich machen kann. Als Vertreter des deutschen Aktienmarktes benutze ich den DAX Performance Index, den ich von der Bundesbank (über FRED) bezogen habe. Die Altersstruktur definiere ich als das Verhältnis zwischen der Anzahl von Mid-Agers und der Gesamtbevölkerung. Diese Daten habe ich über die Webseite des Deutschen Statistischen Amtes bezogen. Je höher die Altersstruktur ist, desto mehr gibt Mid-Agers gibt es in der Bevölkerung.Die beiden Variablen (DAX-Index und die Altersstruktur) haben ganz unterschiedliche Wertebereiche, daher standardisiere ich beide, um sie in einer Abbildung sinnvoll vergleichen zu können. Wie ich die Standardisierung vorgenommen habe, berichte ich am Ende des Blogs. Die Standardisierung ist wichtig bei der Interpretation der Abbildung, da sich die ursprünglichen Werte für den DAX und für die Altersstruktur nicht in der Abbildung wiederfinden. Dort sind nur die standardisierten Werte abgebildet. Mir geht es vor allem um die Erkennung der gleich- oder gegenlaufenden Bewegungen beider Zeitreihen.
Abbildung 1: Standardisierte Werte für den DAX-30 und die Kennzahl Altersstruktur |
Warum ein nur scheinbarer Link?
Das Sparen ist für Ökonomen als Nicht-Konsum definiert. Es gibt grundsätzlich viele Alternativen, wie die Individuen sparen können. Sie können ihr Geld auf Sparbücher anlegen, Festgeldkonten eröffnen, Bundesanleihen kaufen, in Investmentfonds anlegen, Aktien kaufen etc. Warum sollten dann die Jungen vermehrt Aktien kaufen, wenn sie sparen wollen. Warum nicht Anleihen oder Sparbücher oder Tagesgeldkonten?
Aus der Sicht einer Finanzwirtin ist der Zusammenhang zwischen Alter und Aktieninvestitionen eher suspekt. Die (meisten) finanzwirtschaftlichen Theorien sehen den Zusammenhang zwischen der Risikoaversion einer Investorin und den erwarteten Renditen (also zukünftigen Preisanstiegen oder -abstiegen) von Aktien. Nach diesen Theorien wird die Nachfrage nach Aktien steigen, wenn die (aggregierte) Risikoaversion sinkt. Und natürlich sich die Welt in keiner anderen Beziehung ändert, d.h. unter der ceteris paribus Annahme.
Wenn die Nachfrage nach Aktien steigt, werden ihre Kurse steigen. Steigende Preise bedeuten steigende, realisierte, ex-post Renditen. Aber steigende Preise bedeuten [wenn alles andere konstant gehalten wird] sinkende, zukünftige, ex-ante Renditen. Da für Investitionsentscheidungen lediglich die ex-ante Renditen eine Rolle spielen (sollten), führt die sinkende Risikoaversion zu sinkenden ex-ante Renditen. Oder anders gesagt: Die Investorinnen, deren Risikoaversion niedrig ist, akzeptieren niedrige Renditen, obwohl sie die Risiken aus Aktieninvestitionen übernehmen. Eine Investorin mit hoher Risikoaversion wird bei niedrigen ex-ante Renditen die Aktien nicht kaufen.
Für eine Finanzwirtin hat also die Entscheidung einer Aktieninvestorin mit ihrer Bereitschaft zu tun, Risiken zu tragen. Die Entscheidung zu sparen ist vorher gefallen, da die Investorin ihren Konsum in die Zukunft verschoben hat. Das anzusparende Geld verteilt die Investorin auf verschiedene Sparinstrumente (Sparbuch, Anleihen, Aktien, Gold etc.). Wie viel von diesem Geld in Aktien investiert wird, hängt von ihrer Risikoaversion und nicht vom Alter ab.
Ferner reflektieren die Schwankungen von Aktienpreisen mittelbar die Schwankungen der Risikoaversion von Investor_innen. Wenn die Bewegungen der Aktienpreise tatsächlich nur durch Sparentscheidungen (und somit durch das Alter) beeinflusst werden, dann sollten wir beobachten, dass die Kurse von Anleihen (z.B. REX) sich im Gleichschritt mit Aktien bewegen. Im Normalfall ist das Gegenteil richtig.
Das Alter der Investorin spielt also keine Rolle in der finanzwirtschaftlichen Theorie, außer es gebe eine Kausalität zwischen dem steigenden Alter und einer variierenden Risikoaversion. Jeder von uns wird eine Person kennen, die im Alter weniger Risiken eingehen will. Aber ob dies im Alter oder in der allgemeinen (lebenslangen) Einstellung begründet ist, ist nicht einfach zu beantworten. Vielleicht spielen einfach kulturelle Unterschiede eine Rolle oder einfach die Tatsache, dass wir unterschiedliche Erwartungen für das wirtschaftliche Wachstum haben. Ein anderer kausaler Zusammenhang könnte darin begründet werden, dass die Firmen(managerinnen) mehr Dividenden an die Investoren ausschütten, wenn diese im Durchschnitt jünger sind. Demnach würden die Aktien dieser Firmen von jüngeren Investoren gekauft. Jedoch bleibt unklar, warum die jungen Investoren dies für die Zukunft erwarten sollten oder warum sie nicht lieber in Anleihen investieren.
Außerdem würde eine Finanzwirtin einwenden, dass die Finanzmärkte international sind. Wenn es keine jungen Deutsche gibt, die die Aktien kaufen wollen, können wir diese an z.B. Chinesen verkaufen. Aber das ist nur ein Nebenaspekt.
Die spannende Frage bleibt jedoch: Warum ist der Zusammenhang so deutlich zwischen der Altersstruktur und dem DAX-Verlauf in der Abbildung 1? Um einen ersten Schritt zur Beantwortung dieser Frage zu unternehmen, vergleiche ich in den Abbildungen 2 und 3 wieder den DAX-Verlauf mit der Altersstruktur, allerdings differenziert nach Frauen und Männern. Wenn das Alter (und nicht die Risikoaversion) entscheidend ist, dann sollte der Verlauf identisch für Männer und Frauen sein. Der Zusammenhang zwischen Alter und DAX scheint für Frauen beeindruckend. Für Männer kann ein Zusammenhang jedoch nicht im Ansatz erkannt werden. Mir fehlt die Fantasie zu erklären, warum junge Männer nicht aber junge Frauen mit Aktien sparen. Vermutlich gibt es einen anderen Grund als das Sparen, warum der DAX und die Altersstruktur seit den 1960-er Jahren steigen.
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Ok, das Alter ist vielleicht nicht der entscheidende Faktor und vielleicht ist die Risikoaversion wichtiger. Und wie sollen wir diese für den ganzen Markt messen? Eine spannende Frage für eine Bachelorarbeit...
Die Standardisierung der Daten
Die Standardisierung der Daten nehme ich nur für die Abbildungen vor, um den Verlauf von dem DAX und der Altersstruktur vergleichen zu können. Die Technik der Standardisierung entspricht einer z-Transformation, die durch dieses Video gut erklärt ist. [Link: http://www.statistics4u.info/fundstat_eng/ee_ztransform.html]. Die Variable Altersstruktur weist Werte zwischen 0 und 1, da es sich um einen Anteil handelt Der DAX-Index hat dagegen Werte zwischen 100 und 12000. Nach der Standardisierung haben beide Variablen einen ähnlichen Wertebereich, weil sie einen Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1 haben.
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