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Gründungswochenende @HSB

  Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit am Gründungswochenende@HSB als Coach teilzunehmen. Ich bin immer noch begeistert vom Team bei FreiRAUM@HSB. Einerseits die absolut professionelle Organisation und das Matchen unterschiedlicher Charaktere sowohl bei den Studierenden als auch bei den Coaches.  Meine Aufgabe als Coach war es, bei zwei interessanten Projekten kritische Fragen zu stellen. Das erste Projekt hatte eine Lösung von Problemen im öffentlichen Nahverkehr für die Menschen mit Mobilitätsbehinderung spezialisiert. Damit waren nicht nur die Menschen gemeint, die auf einen Rollstuhl angewiesen waren, sondern auch beispielsweise ältere Personen, für die die Stufe zum Einstieg in den Bus eine Herausforderung darstellte. Es war eine technische Idee mit einem Luftkissen. Ich hatte das Gefühl, dass die (jungen) Studierenden sich sehr viel Gedanken über das Produkt gemacht haben, aber noch nicht über die Marktstruktur im öffentlichen Nahverkehr in Deutschland.  Das zweite Projekt hatte

Felber und die Gemeinwohlökonomie

Am 12.4. habe ich einen Vortrag von Christian Felber bei uns an der SiB zur Gemeinwohlökonomie gehört. 

Ich habe vorher seine Werke nicht gelesen und seine anderen Vorträge nicht gehört. Er scheint mir ein politischer Aktivist zu sein, der seine Ideen und sich sehr clever für eine gute Sache vermarktet, die die meisten Menschen (mich inklusive) gut finden werden. 

Da er eine neue, auf Gemeinwohl ausgerichtete Ökonomie vorschlägt, kam er selber nicht umhin, die traditionelle Ökonomie zu kritisieren. An seiner Stelle hätte ich darauf verzichtet oder die Kritik wissenschaftlich untermauert. Seine Kritik scheint mir wissenschaftlich ohne Substanz zu sein, da er nur ein sehr verzerrtes Bild der traditionellen ökonomischen Theorie in dem Vortrag zeichnete. Das Zerrbild der traditionellen ökonomischen Theorie hält keiner Überprüfung stand. Beispiele gefällig? Hier drei, die mir besonders aufgefallen sind: 



  • Ökonomen würden die Gewinnmaximierung (somit Geldmehrung) als oberstes Ziel ausgeben. Ich weiß wirklich nicht, woher dieses Vorurteil stammt, aber es ist schlicht und ergreifend falsch. Ökonomen unterstellen, dass die Wirtschaftsakteure ihren Nutzen mehren wollen. Wir spezifizieren nicht, was der Nutzen ist, sondern gehen davon aus, dass wir alle selbst wüssten, worin unser Nutzen besteht, den wir mehren wollen. Wenn der Nutzen die Mehrung des Gemeinwohls oder Altruismus oder Essen von Schokolade oder eben der Gewinn/das Einkommen ist, dann ist derartiges Verhalten konform mit der traditionellen ökonomischen Theorie. Daher ist auch seine Kritik, dass die Ökonomen das Ziel mit dem Mittel verwechseln ebenfalls falsch, zumindest in der Art und Weise, wie er diesen Sachverhalt im Vortrag vorgestellt hatte.
  • Konkurrenz vs. Kooperation: Er schien die Entwicklung der ökonomischen Theorie in den letzten 60 bis 100 Jahren verpasst zu haben. Kein Ökonom würde den Wettbewerb als das einzig wahre Instrument der ökonomischen Koordination anpreisen. Ganz im Gegenteil: Mit John Nash hat ein Ökonom den Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Dissertation aus den 1950er-Jahren bekommen. In seiner Dissertation beschreibt er mit dem (später so benannten) Nash-Gleichgewicht, warum der Egoismus des Einzelnen nicht immer zum Vorteil für alle führt. Gleichzeitig zeigt es auch auf, was kollektiv möglich ist, wenn der Einzelne mitmachen muss. Somit sind die kollektivistischen Ansätze der Soziologie ebenfalls zu kritisieren. Nebenbei: Die meisten Unternehmen finden den Wettbewerb nicht gut und würde gerne mit anderen Unternehmen kooperieren, um Kartelle zu bilden. Konkurrenz ist in diesem Sinne eher als Strafe anstatt als Belohnung zu verstehen. Für die Beschreibung weiterer Erkenntnisse der Spieltheorie, der Vertragstheorie und des Mechanismus-Design fehlt mir hier der Platz, aber sie betonen alle die Wichtigkeit von Kooperation. 
  • Koordination über den Markt und der Marktpreis: Hier wird es aus meiner Sicht ganz bunt. Er kritisiert die Fokussierung der Ökonomen auf den Markt. Angeblich sind wir der Meinung, dass der Markt alle Probleme löst. Das ist mindest verzerrte Wahrnehmung. Wir denken, dass der Markt häufig die Koordination zwischen den Akteuren erleichtert. Diese Koordination wird insbesondere durch den Marktpreis erleichtert. Dennoch ist klar, dass es Bereiche gibt, in denen der Markt entweder nicht effizient die Koordinierung übernimmt oder durch Reglementierung es nicht übernehmen kann. Kein Ökonom möchte die Bundeswehr (oder die Polizei) privatisieren, damit die reichen Gemeinden mehr Schutz bekommen. Außerdem, und das ist wichtig zu unterstreichen, geht die traditionelle ökonomische Theorie davon aus, dass es aggregiert für eine Volkswirtschaft besser sein kann, den Markt für die Koordination einzelwirtschaftlicher Aktivitäten zu nutzen. Daraus folgt aber nicht, dass es für jeden Einzelnen besser sein wird. Ferner schien es für mich zu sein, dass Herr Felber die Produktpreise von Unternehmen irgendwie erhöhen will (vermutlich durch Steuern), die nicht dem Gemeinwohl dienen. Offenbar glaubt er selber, dass der Marktpreis doch eine wichtige Koordinationsfunktion übernimmt. Abgesehen davon, werden die Kunden die höheren Preise bezahlen müssen; folglich werden sie und nicht die Unternehmen die Umstellung auf die Gemeinwohlökonomie finanzieren. Die armen Bevölkerungsgruppen werden durch den Gemeinwohl weiter abgehängt; das wird Herr Felber vermutlich nicht beabsichtigen, aber es ist die Folge seiner Vorschläge.   
Es kann sehr gut sein, dass er in dem 30-minütigen Vortrag nicht dazu kam, tiefer in die Materie einzusteigen und daher lieber seine Botschaft an das Publikum transportieren wollte. Anderseits war er an einer ökonomischen Fakultät und hat zu Ökonomen gesprochen. Er hätte ruhig mehr über seine ökonomische Theorie berichten können. Ich hätte natürlich auch sein Buch lesen können [das allerdings nicht im Sinne des Gemeinwohls frei verfügbar war]. Daher nochmals: Meine Kritik bezieht sich allein auf den Vortrag bei uns.

Aus dem Auditorium kamen weitere kritische Nachfragen, u.a. wie er sich vorstellt, das Gemeinwohl zu quantifizieren, damit die Unternehmen wissen, ob sie die zu definierende Kriterien erfüllen. 

Kurz zusammengefasst: Den Gedanken des Gemeinwohls finde ich sehr charmant, die Kritik Felber's an der traditionellen ökonomischen Theorie ist mMn nicht durchdacht. 

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