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Gründungswochenende @HSB

  Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit am Gründungswochenende@HSB als Coach teilzunehmen. Ich bin immer noch begeistert vom Team bei FreiRAUM@HSB. Einerseits die absolut professionelle Organisation und das Matchen unterschiedlicher Charaktere sowohl bei den Studierenden als auch bei den Coaches.  Meine Aufgabe als Coach war es, bei zwei interessanten Projekten kritische Fragen zu stellen. Das erste Projekt hatte eine Lösung von Problemen im öffentlichen Nahverkehr für die Menschen mit Mobilitätsbehinderung spezialisiert. Damit waren nicht nur die Menschen gemeint, die auf einen Rollstuhl angewiesen waren, sondern auch beispielsweise ältere Personen, für die die Stufe zum Einstieg in den Bus eine Herausforderung darstellte. Es war eine technische Idee mit einem Luftkissen. Ich hatte das Gefühl, dass die (jungen) Studierenden sich sehr viel Gedanken über das Produkt gemacht haben, aber noch nicht über die Marktstruktur im öffentlichen Nahverkehr in Deutschland.  Das zweite Projekt hatte

Ist der Freihandel gut? Und für wen?

Vor Kurzem habe ich eine Vortragsreihe besucht, die von unserer Fakultät an der HSB für und mit Studierenden organisiert wurde. Dort waren auch die angekündigten Zölle der USA auf Stahl und Aluminium ein kontrovers diskutiertes Thema. Es überraschte mich zum wiederholten Mal, wie gering die Verbreitung der jahrhunderte-alten und immer noch aktuellen Ergebnisse der ökonomischen Forschung zum Handel und zu Zöllen ist - sogar in exportorientierten Volkswirtschaften. 

Die kurze Zusammenfassung der akademischen Forschung lautet: Handel ist gut, Zölle sind dagegen schlecht. Persönlich halte ich den Beitrag von John Cochrane "Trade and Immigration" für einen exzellenten Überblick über die Pros und Contras mit einem klaren Bekenntnis zum (Frei-)Handel. Die Kolumne in der NY-Times von N. Gregory Mankiw ist ebenfalls sehr lesenswert. Dieser Blog-Beitrag ist eine Kurzzusammenfassung der dort diskutierten Ideen und Ergebnisse.

Halten wir am Anfang gleich fest: Die Erhebung von Zöllen ist schlecht für eine Volkswirtschaft, unabhängig ob für Exporteure oder Importeure. Zölle erhoben von heimischen Volkswirtschaft gar auf 
umweltbelastende Rohstoffe, die durch eine heimische, aber schrumpfende Industrie produziert werden, sind eine noch schlechtere Idee. Handel mit diesen Rohstoffen ist dagegen aus ökonomischer Sicht gut.

Warum soll der Handel zwischen Volkswirtschaften gut sein? Folgen wir an dieser Stelle dem Geld. Angenommen China verkauft uns ein Solarpanel, damit unsere Energiewende gelingt. Sollten wir nicht sofort Zölle erheben (oder noch schlimmer Quoten einführen), um die heimische Solarindustrie zu schützen und die heimischen Steuergelder der heimischen Solarindustrie zu Gute kommen zu lassen? Überlegen wir, was die Chinesen wohl mit den Euros machen werden, die sie erhalten. Sie werden die Euros reinvesitieren, indem sie europäische Produkte, vermutlich deutsche Autos oder Maschinen, kaufen. Oder sie werden in heimische Staatsanleihen investieren, d.h. unsere Schulden finanzieren, und die Renditen der Anleihen senken. Vielleicht werden sie auch in heimische Firmen investieren und Arbeitsplätze sichern. Und natürlich sollten wir nicht vergessen: Wir bekommen ein nettes Solarpanel, das deutlich günstiger ist als das im Inland hergestellte. Zusätzlich wird der Wettbewerb zum Abbau der Ineffizienzen in der heimischen Solarpanelindustrie sorgen (hier ein exzellenter Bloomberg-Kommentar von Stephen Mihm, warum die US-amerikanische Stahlindustrie seit dem 2. Weltkrieg schrumpft. Spoiler-Alarm: Der internationale Handel ist nicht schuld.)


Aber halt, wer garantiert, dass die Chinesen in Europa kaufen werden? Natürlich niemand. Vielleicht benutzen sie die Euros, um Rohöl von den Saudis zu kaufen oder Rohstoffe aus Australien zu beziehen oder Urlaub auf Hawaii zu machen. Dann werden eben die Saudis, Australier oder die US-Amerikaner die Euros benutzen, um in Europa einzukaufen. Die Euros werden ihren Weg zurück nach Europa finden, weil sie in anderen Ländern nicht als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Wir werden in unserer Handelsstatistik einen bilateralen "Defizit" mit China haben und einen bilateralen "Überschuss" mit z.B. Australien. Oder wir werden Kapitalimporte aus China haben, weil Chinesen europäische Anleihen kaufen. Und was passiert, wenn die Chinesen gar nicht in Europa kaufen und die Euros in China bleiben? Großartig! Wir können deutlich günstiger die Euros drucken als die Chinesen die Solarpanels herstellen. Solange die Welt die Euros nachfragt, ist es ein sehr großer Vorteil für uns.


Ökonomen begründen den Handel mit kooperativen Kostenvorteilen. Diese werden häufig irrtümlich nur auf den internationalen Handel bezogen. Wie erklären sich die "kooperativen Kostenvorteile" durch den Handel? Denken wir an unseren lokalen Supermarkt. Ich habe zu diesem Supermarkt ein gewaltiges Handelsdefizit! Ich kaufe andauernd im Supermarkt ein, aber der Supermarkt wird vermutlich meine Fähigkeiten nicht nachfragen. Ich werde weder Handelskriege mit dem Supermarkt ankündigen noch überlegen, die Supermarktprodukte selbst anzubauen und zu erstellen, weil ich entweder die Produkte gar nicht oder nicht so günstig herstellen kann oder weil ich mit meinen Fähigkeiten woanders mehr Geld verdienen könnte. Der Beitrag von Tyler Cowen auf 
Marginal-Revolution führt aus, warum Freihandel auch in der sozialen Marktwirtschaft sehr sinnvoll ist. 

Und warum sind die Zölle schlecht? Überlegen wir, was mit den Preisen für Solarpanels im Inland nach einer Einführung von Zöllen von 25% passieren wird. Die importierten Solarpanels werden um 25% teurer werden, sagen wir z.B. von 100 Euro auf 125 Euro steigen. Die Preise der inländisch produzierten Solarpanels werden ebenfalls auf 125 Euro (oder ein klein wenig niedriger) steigen und die inländischen Solarpanelunternehmen werden durch die höheren Preise bei angenommenen gleichbleibenden Kosten einen höheren Gewinn erwirtschaften. Das scheint eine tolle Sache zu sein, oder doch nicht? Denken wir an die Konsumenten. Sie müssen nun 25% mehr für das gleiche Produkt bezahlen, das in keiner Beziehung eine Verbesserung beinhaltet. Unterstellen wir eine Budgetrestriktion für die Haushalte, d.h. sie haben nicht beliebig viel Geld zur Verfügung. Folglich werden 25% weniger Solarpanels gekauft und 25% weniger Solarpanels (arme Handwerker!) installiert und natürlich 25% weniger Solarstrom produziert. 


Die größte Gefahr, die Zölle auf Solarpanels entwickeln würden, betrifft die inländische Solarindustrie selbst. Zölle bilden ein Schutzschild vor dem Wettbewerb. Industrien mit derartigen Schutzschildern vor dem Wettbewerb bringen keine Innovationen hervor, sie senken die Kosten nicht, sie verbessern die Produkte nicht, weil sie es nicht müssen (am Beispiel der Stahlindustrie erklärt der Bloomberg-Kommentar von Stephen Mihm diesen Punkt sehr anschaulich.) 

Wenn Zölle tatsächlich eine gute Idee sind, dann sollten sich auch im Inland alle Bundesländer vor den Importen aus anderen Bundesländern schützen. Bremen sollte auf die BMWs aus München Zoll erheben, um die schicken Mercedes-Autos aus Bremen zu schützen. Offensichtlich ist dies keine besonders clevere Idee. Warum ist es eine gute Idee bei chinesischen Solarpanels? Nur weil sie chinesisch sind?     

Warum werden Zölle dann so häufig als eine Lösung vorgeschlagen? Sie sind sehr bequem. Es ist bequem für die Solarbranche, zumindest eine Zeitlang. Es ist bequem für die Politik. Es ist bequem für den Einzelunternehmen. Die Nachteile werden auf die gesamte Volkswirtschaft verteilt und werden daher pro Einwohner scheinbar sehr klein sein. Aber die Nachteile addieren sich über die Zeit.

Insgesamt verliert die Volkswirtschaft durch die Einführung von Zöllen. Jedoch verteilt sich der Verlust nicht gleichmäßig. Es würde Gewinner und Verlierer geben. Thomas Biesheuvel und Luzi-Ann Javier führen in einem Bloomberg-Kommentar am Beispiel der Trump-Zölle auf Stahl und Aluminium aus, wer in den USA dabei gewinnen und wer verlieren wird.


Scheinbar spiegelbildlich verhält es sich mit den Vorteilen durch den Handel. Durch den Handel gewinnt die Volkswirtschaft insgesamt, jedoch gibt es hier ebenfalls Gewinner und Verlierer. Die Einführung von Zöllen ist eine ökonomisch ineffiziente Alternative, um Verlierer des weltweiten Handels zu unterstützen. Sie sollen direkt unterstützt werden und nicht indirekt über die Zölle, die vermutlich nur die Gewinne der Solarpanelunternehmen steigern, die den Aktionären ausgeschüttet werden.

Vielleicht sind wir Ökonomen auch schuld. Wir haben die beiden Begriffe Handelsdefizit bzw. -überschuss eingeführt, die eine negative bzw. positive Bedeutung haben. Sie suggerieren einen einzelwirtschaftlichen Zusammenhang, den es volkswirtschaftlich nicht gibt. 



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